

Glasfrosch (Hyalinobatrachium sp.)
Bei tropischen Glasfröschen wurde eine völlig neue Art der Tarnung entdeckt, die Edge Diffusion genannt wird. Diese Amphibien sind durchscheinend, wodurch sie ihre Helligkeit automatisch an den Hintergrund anpassen können. Gleichzeitig verwischen transparentere Pfoten die Körperkanten der Frösche und lassen sie noch mehr mit dem Untergrund verschmelzen. Die ungewöhnliche Anpassung wird in einem Artikel in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences beschrieben.
Transparenz scheint die perfekte Tarnung zu sein, da sie vor jedem Hintergrund Unsichtbarkeit bietet. Es überrascht nicht, dass viele Wassertiere durchsichtig geworden sind, um sich gegen Raubtiere zu verteidigen. An Land funktioniert diese Anpassung jedoch aufgrund der unterschiedlichen Brechungsindizes von Luft und biologischem Gewebe viel schlechter. Außerdem würden durchscheinende Landtiere ultravioletter Strahlung ausgesetzt, die normalerweise von Pigmenten reflektiert wird.
Eines der wenigen Landtiere mit teilweise durchsichtigem Körper sind Glasfrösche (Centrolenidae), die in Mittel- und Südamerika leben. Innere Organe und Knochen sind durch die Haut und die Muskeln an Brust und Bauch deutlich sichtbar. Die Körperoberseite dieser Amphibien ist jedoch eher durchscheinend und in verschiedenen Grüntönen gefärbt.
Unter Zoologen herrscht kein Konsens, ob die durchscheinende Färbung von Glasfröschen tatsächlich als Tarnung funktioniert. Ein Forscherteam unter der Leitung von James B. Barnett von der McMaster University beschloss, seine Funktionen zu verstehen.
Im ersten Schritt fotografierten die Forscher Vertreter zweier Glasfroscharten auf Blättern und auf weißem Papier. Insgesamt erfasste das Objektiv 25 Teratohyla midas und 30 Espadarana prosoblepon. Die erhaltenen Fotografien wurden unter Verwendung eines Computermodells ausgewertet, das das di-, tri- und tetrachromatische Sehen verschiedener Raubtiere simulierte. Es stellte sich heraus, dass sich die Helligkeit der Frösche in allen Fällen an den Hintergrund anpasst, sodass sie sich besser in diesen einfügen. Der Effekt wird nicht durch einen aktiven Farbumschlag erzielt, sondern durch die Transluzenz des Körpers. Dabei ändert sich die scheinbare Helligkeit der transparenteren Pfoten stärker als die des Körpers.
Die Teammitglieder erstellten dann mehrere Froschbilder auf einem Computer mit T. midas als Probe. Einige von ihnen hatten, wie echte Glasfrösche, Pfoten, die durchsichtiger waren als ihr Rücken, während andere das Gegenteil hatten. Darüber hinaus enthielt die Sammlung vollständig transparente und vollständig opake Bilder. Computeramphibien wurden auf Fotografien von Blättern platziert, woraufhin zwanzig Freiwillige gebeten wurden, sie zu finden. Es dauerte länger, bis die Teilnehmer die Frösche mit durchscheinender Färbung fanden.

Beispielbilder, in denen die Freiwilligen einen Frosch finden sollten. Frösche sind mit weißen Kreisen gekennzeichnet. Links: Exemplar mit natürlicher Färbung (weniger transparenter Körper und mehr transparente Füße), rechts: Exemplar mit umgekehrter Färbung (mehr transparenter Körper und weniger transparente Füße).
Am Ende testeten die Forscher, wie sich durchscheinende Tarnung auf das Überleben in freier Wildbahn auswirkt. Sie stellten 360 Frösche aus grüner Gelatine her, von denen die Hälfte wie echte Glasfrösche durchscheinend und die andere Hälfte undurchsichtig war. Sie wurden 72 Stunden lang in einem Gebiet des ecuadorianischen Dschungels platziert, und dann wurde die Anzahl der Proben gezählt, die von Raubtieren weggetragen oder beschädigt wurden. Die Analyse ergab, dass durchscheinende Frösche fast viermal seltener gefunden und gegessen werden.

Links: gefälschte Froschproben, durchscheinend (A und B) und undurchsichtig (C und D). Rechts: Simulationsergebnisse, die zeigen, wie transluzente (E) und opake (F) Proben aus der Vogelperspektive wahrgenommen werden.
Aus den erhaltenen Daten schließen die Autoren, dass teilweise Transparenz Glasfrösche tatsächlich vor den Augen von Raubtieren verbergen kann. Ihre Tarnung basiert auf dem, was Wissenschaftler Kantendiffusion nennen. Dank der Transluzenz des Körpers passt sich die Helligkeit des Frosches leicht dem Hintergrund an. Und transparentere Pfoten erzeugen einen Farbverlauf zwischen dem Körper der Amphibie und dem Blatt, auf dem sie sitzt. Dadurch werden die Kanten geglättet und der Frosch passt sich besser dem Untergrund an. Laut den Autoren handelt es sich um eine völlig neue Art von Tarnfarbe.
Kürzlich wurde bei der Gemeinen Viper (Vipera berus) eine ungewöhnliche Form der Schutzfärbung gefunden. Die Studie zeigte, dass das Muster auf ihrem Rücken als Tarnung vor Raubtieren dient, aber wenn es entdeckt wird, fungiert es als Warnsignal. Und wenn die Schlange fliehen muss, bildet die Zeichnung eine optische Täuschung, die den Verfolger verwirrt.